Konservatismus heißt: Alles soll bleiben, wie es immer war
Herr Müller, der Experte für alles und jeden und damit für nix und niemand, hat sich jetzt kurz nach seinem 70. Geburtstag zu Wort gemeldet. Er ist als gelernter Rechtswissenschaftler und ehemaliger Verkehrsminister, vielen ist es schon bekannt, der ausgewiesenen Experte für heutige Schulkinder und heute sinnvolle Unterrichtsformen, zukunftsweisende Bildungsinhalte und eben auch für die Art und Weise wie entwicklungsfördernde Rückmeldungen zum Lernstand der einzelnen Lernenden gegeben werden sollen. Das hocheffektive, persönlichkeitsstärkende und nachhaltig erfolgreich wirkende Sitzenbleiben sieht er indes in großer Gefahr! Mitsamt dem leistungsorientierten Schulsystem wird es unter einer grün-roten Landesregierung unwiederbringlich in den Abgrund stürzen. Oje.
Was ist wirklich los?
Sind Schulnoten zwischen „sehr gut“ und „ungenügend“ noch zeitgemäß? Manche Bildungsforscher sind der Meinung, dass Beurteilungen in Ziffern nicht besonders gerecht und auch nicht aussagekräftig sind. Noten sagen letztendlich nur aus, welche Leistung eine SchülerIn im Vergleich zu den MitschülerInnen in der eigenen Klasse zeigt. Schon dem Vergleich zur Parallelklasse halten die Ziffern nicht mehr Stand. Außerdem gibt eine Ziffer „3“ zum Beispiel im Fach Deutsch nur an, dass die Leistung als befriedigend empfunden wird, nicht aber, in welchem Bereich.
- Ist die Rechtschreibung o.k., aber meine Ausdrucksweise im Aufsatz ausbaufähig?
- Könnte am Schriftbild noch gearbeitet werden, während die mündlichen Beiträge durchaus bereichernd sind?
- Ist die Lesekompetenz überdurchschnittlich, die Bereitschaft mitzudenken aber durchaus noch zu steigern?
Derart differenziert kann eine Leistungsbewertung nur verbal-schriftlich ausgedrückt werden. Eine Ziffer bleibt dagegen immer an der Oberfläche und beschreibt nur den Durchschnitt aller gezeigten Leistungen.
Bleibt die Frage, was Bildungspolitik erreichen will: Alles so lassen, wie es immer war, einfach weil wir alle damit aufgewachsen sind und wir uns alle gleichermaßen damit auskennen? Beurteilung mit Noten, weil eine SchülerIn dann mit einem Blick einsortiert werden kann – einfach für Lehrer, Eltern und zukünftige Arbeitgeber. Für manche SchülerIn allerdings im Zweifel ungerecht, demütigend und damit demotivierend. Oder soll es eine reflektierte, individuelle Leistungsförderung sein, die genau beschreibt, wo die Stärken und Schwächen der SchülerInnen liegen und die dadurch schon um einiges gerechter ist und sehr viel eher dazu geeignet ist, zum Lernen und Neugierig sein zu motivieren?
Für mich ist die Frage da schnell beantwortet und ich begrüße es sehr, dass die grün-rote Landesregierung die Notengebung zugunsten der verbalen Entwicklungsberichte an allen Gemeinschaftsschulen, sowie an zehn Grundschulen ausgesetzt hat. Aber wahrscheinlich ist es einfach so, dass im wesentlichen diejenigen die größten Probleme mit einer Umstellung auf eine verbale Leistungsbewertung haben, die im Bereich ihrer Lesekompetenz noch gut Luft nach oben haben.