Ant­wort auf den Leser­brief von Hel­ge Kör­ber „Ein­sam um die Zir­kus­welt“ vom 18.08.2015 (Fried­richs­ha­fen, SK und SZ)

So wie es Hel­ge Kör­ber in sei­nem Leser­brief beschreibt, geht es noch eini­gen, vor allem älte­ren Men­schen: Da war die „schlech­te“ Zeit, evtl. von Ver­zicht und Trist­heit geprägt. Und dann kam da, viel­leicht ein­mal im Jahr, ein Zir­kus vor­bei: Glit­zern­de, auf­re­gen­de Welt, frem­de Men­schen, „wil­de“ Tie­re – ein High­light im Leben eines jeden Kin­des! Nir­gends hat­te man sonst die Gele­gen­heit so etwas zu sehen. Fern­se­her gab es nicht, rei­sen wie heu­te konn­te man nicht. So ist es kein Wun­der, dass ein Zir­kus also bis heu­te die Augen leuch­ten läßt und sich mit allen Sin­nen in die Erin­ne­rung ein­ge­prägt hat.

Aber, die Fra­ge muss erlaubt sein, kommt bei so viel emo­tio­na­ler Erre­gung die Ratio zu kurz? Ist ein Zir­kus unter ethi­schen Gesichts­punk­ten – und nur dar­um geht es mir – noch zeit­ge­mäß? Ist es heu­te noch o.k., unse­re Zir­kus-Tra­di­ti­on über das Wohl der Tie­re zu stel­len? Bereits die Sophis­ten ver­tra­ten die Auf­fas­sung, dass es für ein Ver­nunft­we­sen wie den Men­schen unan­ge­mes­sen sei, wenn des­sen Han­deln aus­schließ­lich von Kon­ven­tio­nen und Tra­di­tio­nen gelei­tet wird.
Dabei sind Ver­än­de­run­gen im Zir­kus nicht neu. Bis in die 1950er Jah­re hin­ein war es auch in Deutsch­land durch­aus üblich, dass Zir­kus­se Men­schen aus ande­ren Kul­tu­ren zur Schau stell­ten. Die­se als „Völ­ker­schau­en“ bekann­ten Attrak­tio­nen, die sicher nicht immer auf Frei­wil­lig­keit der zur Schau Gestell­ten beruh­ten, könn­te sich heu­te wohl auch nie­mand mehr vor­stel­len. Heu­te gibt es bereits Zir­kus­se, die welt­weit erfolg­reich gänz­lich ohne Tier­num­mern aus­kom­men und immer mehr Zir­kus­se, wie z.B. der Schwei­zer Zir­kus Knie ver­zich­ten ab 2016 dar­auf, ihre Ele­fan­ten mitzuführen.

Dass die Tier­ärz­te den Tie­ren vor Ort eine gute Gesund­heit attes­tie­ren konn­ten ist erfreu­lich und auch nicht wei­ter ver­wun­der­lich: Wel­ches Publi­kum will schon z.B. einen kränk­li­chen Tiger mit stump­fem Fell sehen. Aber, und nur dar­um geht es mir, ist es auch ethisch ver­tret­bar? Ent­spricht ein Leben in der Unter­hal­tungs­bran­che, auf rela­tiv beeng­tem Raum, bestimmt durch die äuße­ren, von Men­schen gemach­ten Umstän­de der Art der Tie­re, ist das art­ge­recht? Ich bin der Mei­nung, das ist es nicht und ich bin damit nicht allein: Auch die Bun­des­tier­ärz­te­kam­mer spricht sich für ein Wild­tier­ver­bot im rei­sen­den Zir­kus aus wie auch die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung in Deutsch­land. Einer aktu­el­len reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­ge der For­schungs­grup­pe Wah­len zufol­ge, die Frontal21 in Auf­trag gege­ben hat, fin­den rund zwei Drit­tel der Befrag­ten Wild­tie­re im Zir­kus nicht mehr zeitgemäß.
Die Stabs­stel­le Tier­schutz des Minis­te­ri­ums für länd­li­chen Raum (BW) infor­miert in einer aktu­el­len Hand­rei­chung, wie die Städ­te und Gemein­den Wild­tier­zir­kus­se unter Berück­sich­ti­gung recht­li­cher Gege­ben­hei­ten von kom­mu­na­len Flä­chen kon­kret aus­schlie­ßen kön­nen. Und in der Gro­ßen Koali­ti­on hat bis­lang nur die Uni­on ein bun­des­wei­tes Wild­tier­ver­bot in Zir­kus­sen verhindert.

Da es sich um einen Leser­brief von Hel­ge Kör­ber han­delt, könn­te man nun noch dazu­fü­gen, dass wohl so man­ches Kind mit leuch­ten­den Augen und vol­ler Emo­tio­na­li­tät den Flug­zeu­gen nach­schaut … aber das wäre dann ein neu­es Thema.

Chris­ti­ne Heimpel