Den ganzen Sommer lang kam der Hambacher Forst nicht aus den Schlagzeilen. Bäume gegen Arbeitsplätze, Natur gegen nicht zukunftsfähige Industrie. Viele von uns haben mit protestiert, sei es auf den Demos direkt vor Ort oder über das Unterschreiben von Unterstützerlisten oder Diskussionsbeiträgen in den Sozialen Netzwerken. Jetzt ist der „Hambi“ auf einmal ganz nah: Es geht um den Seewald und zwar den Teil zwischen der B31 zwischen FN und Lochbrücke und der Bahnlinie, offiziell „Adelheidstraße Ost“.
Warum soll der Wald weichen?
Gewerbeflächen, vor allem größere, sind knapp in der Stadt. Um Gewerbe- und Industriebetriebe zu gewinnen und/oder zu halten sind sie aber zwingend notwendig. Argumente wie Gewerbesteuer und Arbeitsplätze sind dabei auch richtig und wichtig. Jetzt benötigt die Firma Liebherr aufgrund von Luftfahrt-Wachstumsprognosen bis zum Jahr 2035 weitere Flächen. Dabei gibt es konkret zwei Grundstücke, die in Frage kommen. Eines liegt aus Sicht des bestehenden Betriebs auf der anderen Seite der Bahnlinie und ist von daher als ökonomisch nicht optimal, jedoch ökologisch deutlich unbedenklicher einzuschätzen. Das andere befindet sich in direkter Fortführung des besehenden Firmengeländes und bedeutet eine großzügige Abholzung eines Teils des Seewaldes. Die Verwaltungsvorlage präferiert die Ökonomisch optimale Variante, die jedoch einen massiven Einschnitt in das bestehende Ökosystem Seewald bedeutet.
„Der Flächenbedarf ergibt sich aus den Wachstumsprognosen in der Luftfahrt von jährlich 5% bis zum Jahr 2035.“
Enkeltaugliches Handeln ist gefordert
Ich bin mir ja nicht sicher, ob die Luftfahrt allgemein und in Friedrichshafen im Besonderen bis 2035 tatsächlich in dem Maß wächst, dass das Abholzen des Seewaldes tatsächlich gerechtfertigt ist. Vor allem und gerade dann nicht, wenn sich derzeit die klimatischen Bedingungen immer noch stetig verschlechtern.
Meines Erachtens sprechen mehr Gründe gegen die Abholzung als dafür.
- Es gibt eine Alternativfläche zur Betriebserweiterung. Die wäre zwar ökonomisch nicht optimal, dafür ökologisch deutlich unbedenklicher.
Bisher war eine in der Nähe vorhandeneFläche von 22.125 m² im Gewerbegebiet „Am Flughafen“ für diese Erweiterungsabsichten reserviert.Eine Erweiterung der bereits bestehenden Werkshallen am Standort in der Adelheidstraße mit den entsprechenden Synergien vor Ort wird aber als deutlich bessere Lösung erachtet.
- Die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsflächen die von den Befürwortern im Gemeinderat in unmittelbarer Nähe gefordert werden, müssen dreimal so groß wie das abzuholzende Waldstück sein. Das einzige Gelände, das in unmittelbarer Nähe eine entsprechende Größe hat, ist das des Flugplatzes. Konsequenterweise hieße das, dass die Bäume auf dem Rollfeld des Flughafens gepflanzt werden müssten. Angesichts dessen könnte man dann sinnvollerweise auch gleich das Gewerbe auf das Flugplatzgelände umsiedeln.
Es besteht sehr wahrscheinlich ein hoher Maßnahmen- und Flächenbedarf für Funktionserhalt bzw. Maßnahmen zur Vermeidung einer Verschlechterung des Erhaltungszustands von Populationen betroffener Arten.
- Der Seewald dient als relevantes Frischluftentstehungsgebiet und ist immens wichtig für das Stadtgebiet.
Die Eingriffsschwerpunkte liegen bei den Schutzgütern Fläche, Boden, Wasser, Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt. Die Folgen für die Umwelt sind erheblich und bedürfen vsl. umfänglicher Kompensationsmaßnahmen.
- Auch auf der Südseite des Seewaldes wird es zu weiteren Abholzungen kommen, wenn die B31 in Richtung Eriskirch um eine Fahrspur erweitert wird. Damit schmilzt die größte Waldfläche in Friedrichshafen nach und nach zugunsten von vermutlich mittelfristig nicht zukunftsfähigen Mobilitätsformen.
- Und was das Argument der Gewerbesteuer und der Arbeitsplätze angeht: Umwelt ist nicht alles. Aber ohne Umwelt ist alles nichts.
Alle Zitate sind den aktuellen Sitzungsvorlagen für die Gemeinderatssitzung am 19.11.2018 entnommen:
Bebauungsplan Nr. 198 „GE Adelheidstraße Ost“ Aufstellungsbeschluss
Flächennutzungsplanänderung Nr. 8 „GE Adelheidstraße Ost“ – Aufstellungsbeschluss